“Genug gelästert.” Kurz, prägnant - zwei Worte, um den Antrieb für sein neues Album zu beschreiben. Aber wenn Frank Ramond so etwas sagt, erwartet man unweigerlich einen doppelten Boden. Als Produzent und äußerst spitzzüngiger Texter eröffnete er Annett Louisan die Karriere, indem er der Kindfrau erst die vordergründig naive Zeile “Ich will doch nur spielen” auf den Leib schrieb und anschließend drei weitere Alben voll kleiner, liebevoll ausgearbeiteter Boshaftigkeiten folgen ließ. Stimmwunder Roger Cicero wurde erst durch Ramonds geschliffene Worte zum so erfolgreichen, ironisch gebrochenen Pantoffelhelden. Und auch den Songs von Barbara Schöneberger und Ina Müller drückte er mit an Sarkasmus grenzender Bissigkeit seinen Stempel auf. Doch seit der Veröffentlichung seines ersten Solo-Albums “Große Jungs” im Herbst 2009 hat sich vieles verändert.
Frank Ramond ist aus dem Schatten hinter den Kulissen selbst auf die Bühne getreten, auch sprichwörtlich, obwohl ihm das Rampenlicht anfangs völlig fremd war. “Mir ist dadurch einiges klar geworden. Zum Beispiel, dass meine Texte zu schwer zu merken sind”, lacht er rückblickend. “Aber vor allem, dass die Beziehung zwischen dem Künstler und seinem Konzertpublikum etwas sehr Ehrliches und Direktes ist. Als Produzent ist man Hintergrundtäter, vergräbt sich in schrägen Themen und pflegt seinen eigenen Humor. Eigentlich hätte es schon ein Augenöffner sein müssen, als hin und wieder ein Künstler, für den man einen Song geschrieben hatte, nach einem Konzert ankam und nur sagte: “So etwas nicht wieder, bitte. Ich habe es aber erst verstanden, als ich nun selbst wieder auf der Bühne stand: Ironie und Sarkasmus sind oft einfach fehl am Platz, wenn es um echte Gefühle geht.”
Und davon gab es zuletzt reichlich in seinem Umfeld. “Es war gleich eine ganze Reihe schwerwiegender Ereignisse, die mich nachdenklich gestimmt haben. Das hat meinen Blick auf Gesundheit, Familie, das Leben allgemein verändert und meinen Fokus viel stärker auf das Miteinander wandern lassen.” Was sich nahtlos in Frank Ramonds neuen Songs widerspiegelt, unverstellt, ehrlich und sehr persönlich.
Auch auf “Ganz klar” finden sich ironisch-intelligente Alltagsbeobachtungen wie“So einer wie der” oder der bossa-angehauchte Titel “Gutes Personal”. Genauso aus dem Leben gegriffene Beziehungskisten wie die schwungvolle, eingängige erste Single “Sie hat’s ihren Freundinnen erzählt”. Doch die Frank Ramond bisweilen anhaftenden Klischees, von Macho bis Frauenversteher, sucht man vergebens.
Ganz einfach, weil sie aus für andere Künstler verfassten Texten erwachsen sind - reinen Projektionen, wenn auch verblüffend einfühlsamen. Mit ihm selbst hat das nicht viel zu tun. Er schaut nicht mal Fußball. Frank Ramond ist ein stiller, zurückhaltender Mensch mit sensiblen Antennen für die Befindlichkeiten seines Gegenübers - und großer Angst vor den überall lauernden Fettnäpfchen. Ein empathischer Voyeur, der es liebt, die Vielfältigkeit der Großstadt zu inhalieren und dabei in ihrer Anonymität zu verschwinden. “Das ist meine Leidenschaft: Menschen, Menschen, Menschen. Ich fahre beispielsweise sehr gern U- oder S-Bahn, beobachte Leute, versuche mich in sie hineinzuversetzen, mir ihre Geschichten vorzustellen - am liebsten würde ich einige bis nach Hause verfolgen, einfach um mehr zu erfahren.”
Mit “Ganz klar” richtet Frank Ramond den Blick nun auf sich selbst. Etwa mit “Golf-Generation”, einem melancholisch-augenzwinkernden Rückblick auf Bonanza-Rad, Karottenjeans, Schulterpolster und andere Insignien der eigenen Jugend. Oder in “Heut ist Weltuntergang”, einem ironischen Spiel mit der Tatsache, dass alles egal ist, wenn es mal soweit sein sollte. Doch vor allem gehen Frank Ramond, ganz ironiefrei, Zeilen wie „Es tut mir so leid“ oder “Ich hab dich gern” über die Lippen. “So etwas sagt man einfach viel zu selten zu denen, die einem wichtig sind. Unter Männern geht das schon gar nicht, dabei kann man für gute Freunde sehr, sehr dankbar sein”. Weshalb ihm auch sein Stück über Männerfreundschaft, der Titelsong “Ganz klar”, ein besonderes Anliegen ist.
Für Frank Ramond zählen die Menschen um ihn herum. Gute Freunde, in deren Gesellschaft er gern lange Abende mit Bier und Zigarren verbringt, durch die Nacht zieht, bis diese an irgendeiner Bar beim letzten Mojito endet. Vor allem aber zählt die Familie, trotz aller Freiheitsliebe: “Das ist bis heute die freudigste Überraschung meines Lebens: Wie schön es ist, Kinder zu haben“, betont er, „denn damit hätte ich nicht gerechnet.” Wenn die beiden, zehn und zwölf Jahre alt, von der Schule kommen, klopfen sie ans Studio-Fenster. Ab da ist Frank Ramond nicht mehr Erfolgsproduzent, sondern Papa. Er kocht, spielt, hilft bei den Hausaufgaben. Die Kinder stehen über allem. Und sie verändern die eigene Perspektive. “Die Grundfrage, die sich mir in letzter Zeit immer mehr gestellt hat ist, ob das ganze Verdienen, Erwirtschaften und Beschaffen um des Lebensstils willen wirklich alles ist.” Frank Ramonds Antwort, zugleich die Quintessenz des Albums, liefert der Song “Einander”: “Wir brauchen keine Illusionen/ Keinen glamourösen Schein/ Kein Haus am See, keine Millionen/ Kein Make-up und Design/ Wir brauchen keine Freifahrtsscheine/ Keinerlei Macht, keine Vasallen/ Keine frisierten Zukunftsträume/ Die über Nacht in sich zerfallen/ Wir brauchen einander - sonst nichts.”
Seine Zeilen singt Frank Ramond meist leise und lakonisch, mit süßer, leichter Melancholie, einem lachenden und einem weinenden Auge. Seine angenehm tiefe, raue Erzählerstimme wird untermalt von akustischer Gitarre, Klavier, ein wenig Hammond-Orgel und Streichern sowie einem zurückhaltenden Schlagzeug. Die Band begleitet unglaublich lässig und verspielt, mit hörbarer Freude an den Feinheiten der Songs. Swing, Latin, Anklänge von Country, Bluegrass und Surf-Sound verbinden sich mit Frank Ramonds bildhaften, gesungenen Kurzgeschichten zu chansoneskem Pop. Etwas, das in deutscher Sprache selten anzutreffen ist. Und es kommt nicht von ungefähr.
Seine Mutter ist Deutsche, sein Vater Franzose, lange tätig als Lehrer im Auslandsdienst für Frankreich. Diesen Umständen verdankt Frank Ramond einerseits die Geburt in Istanbul, eine Kindheit in Mexiko und Spanien sowie die Tatsache, dass er, einmal mit seiner Mutter in Hamburg heimisch geworden, regelmäßig bei der zuständigen Ausländerbehörde Schlange stehen musste, um seine Aufenthaltserlaubnis zu verlängern. Bis er dem Spiel schließlich ein Ende bereitete und die deutsche Staatsbürgerschaft beantragte. Die Quittung hierfür folgte kurze Zeit später in Form des Einberufungsbescheides.
Seiner Herkunft verdankt Frank Ramond aber eben auch die Affinität zum Chanson, zu lateinamerikanischen Rhythmen und den Zugang zu Musik ganz allgemein. “Ich habe immer die Spanier um ihren natürlichen Umgang mit Musik beneidet”, erinnert er sich. “Dort saß man gemeinsam mit der Gitarre auf der Plaza und sang - das kannte ich nicht, unsereins hatte da schon längst seinen Walkman.” Irgendwann saß er dann selbst dort, nachdem ein spanischer Freund ihn mit dem Instrument vertraut gemacht hatte.
Ein weiteres Aha-Erlebnis für den späteren Werdegang war der erste Besuch eines Tonstudios noch zu Schulzeiten - Frank Ramond wäre am liebsten gleich dort geblieben. Die Entscheidung, endgültig mit Studioarbeit seinen Lebensunterhalt bestreiten zu wollen, fiel spätestens, als eines Tages Udo Lindenberg in der Tür seines kleinen, behelfsmäßigen Bunker-Studios auftauchte. Das war die Referenz, die das Tor ins Business endgültig aufstieß.
Um dem Wunsch seiner Eltern nach etwas “Vernünftigem” nachzukommen, machte Frank Ramond Abitur, eine Lehre zum Industrie-Kaufmann und studierte Jura. Allerdings ohne je in einem dieser Berufe zu arbeiten - das Studium brach er nach elf Semestern, scheinfrei, direkt vor dem ersten Staatsexamen ab. Dennoch wirken beide Ausbildungen nach:
“Ich ziehe noch heute mein Wissen über den ‘normalen’ Berufsalltag aus meiner Lehrzeit, das war schließlich mein einziger regulärer Job. Vom Blaumann bis zur Werbeabteilung habe ich damals alles mitgemacht - und anschließend beschlossen, mir nie wieder einen Wecker stellen zu müssen.”
Auch die Juristerei hat ihre Spuren hinterlassen, allerdings nicht fachlich. “Mit meinen ersten von mir selbst aufgesetzten Verträgen bin ich gleich ziemlich auf die Nase gefallen - das habe ich dann doch lieber Experten überlassen. Aber sprachlich war das Studium für mich eine wichtige Schule: Jura, das ist Mathematik mit Worten, eine hervorragende, furchtbar pingelige Sprachschmiede. Außerdem gehört unter Juristen zynischer Humor zum guten Ton. Und: Wer ständig 30seitige Gutachten verfassen muss, verliert die Angst vorm Schreiben.”
Natürlich wollte Frank Ramond Popstar werden, wie jeder mit Mitte zwanzig. Aber in dem, was damals musikalisch und sprachlich angesagt war, fand er sich nicht wieder. “Außerdem war ich vollauf damit beschäftigt, überhaupt in der Musikbranche Fuß zu fassen, um meinen Unterhalt zu verdienen. Und dann war das passende Alter für einen Teeniestar auch schnell vorbei.” Erst durch die Erfolge seiner Songs und Textgewänder, die er anderen Künstlern maßgerecht zuschnitt, entstand schließlich jene musikalische Sparte, in der Frank Ramond auch mit seiner eigenen Musik stattfinden kann. Er hat sich selbst den Weg geebnet, ohne dass ihm das aufgefallen wäre - er musste erst von Freunden aus der Branche darauf gestoßen werden. Nun ist Frank Ramond als Fortysomething auf der Bühne angekommen, wenngleich er genau das eigentlich verhindern wollte: “Ich hatte eine Bedingung: Frank Ramond solo gibt es nur, wenn ich nicht live spielen muss. Live spielen gehört aber dazu, das musste ich einsehen. Diese Erfahrung hätte an den Anfang der Karriere gehört, die Reihenfolge war falsch. Glück gehabt, dass es trotzdem geklappt hat.”
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